51° Horizontale Territorien

Kunstaktion am Sonntag, 09.09.2019, 11.00 Uhr im Gut Rödinghausen

Der Einfluss von Geografien auf Biografien ist glücklicherweise noch deutlich stärker, als umgekehrt. Dagegen sind die Auswirkungen von Machenschaften auf Landschaften, von Religionen auf Regionen und von Imperien auf Territorien immer verheerender, als umgekehrt.
Liegt es daran, dass Biografien mehrdimensionale Linien hinterlassen, während Geografien immer schon als zweidimensionale Flächen gehandelt werden? Warum hat die Macht immer zuerst „ihr Revier“ im Fokus und wird dann von der dehnbaren Linie drumherum oder mittendurch überrascht? Wer hat beschlossen, dass Bodenschätze wertvoller sind, als Humanpotentiale? Warum denkt der Inländer immer zuerst an „sein Land“ und danach an die Menschen, die darauf herumlaufen?
Wenn diese Menschen nun an einem Punkt der Erde in eine Richtung losgehen würden und sich dabei konsequent auf dem örtlichen Breitengrad hielten, würden sie am selben Ort wieder ankommen, nur von der anderen Seite her (gehen sie nach Westen, kommen sie aus dem Osten zurück oder umgekehrt).
Dabei würden sie auf Nachbarn treffen, von deren Ähnlichkeit sie nicht zu träumen gewagt hätten: Denn klimatisch, magnetisch und energetisch wirken die gleichen Kräfte auf alle Menschen eines Breitengrades. Sie verbindet die gleiche Relation zu Sonne und Mond, zu Erdkern und Ozonschicht, zu Einstrahlung, Krümmung und Gravitation.
Warum also haben sie sich nicht schon längst zusammengetan? Warum haben sie nicht längst ihre Gemeinsamkeiten erkannt? Warum nicht längst ihr horizontales Territorium behauptet?
Haben sie Angst, dass die Orte und sie selbst bei fortgeschrittener Zeit nicht mehr dieselben sind, wie beim Start? Dass Zeitschiene und Drehmoment zu Ereignissen führen, die sie zu sehr verändern? Oder ist schlicht und einfach noch niemand auf die Idee gekommen?
51°
Um dies zu ergründen, begeben sich Rochus Aust und das 1. DEUTSCHE STROMORCHESTER auf eine Reise rund um den Globus, zur Vermessung der Menschheit, genauer gesagt: der Menschen auf einem Breitengrad. Stellvertretend geht es auf dem 51. Breitengrad Richtung Westen, um an selber Stelle aus dem Osten zurückzukehren.

Am Sonntag, den 09.09.2018 wird Rochus Aust mit dem 1. Deutsche Stromorchester um 11.00 Uhr im Landschaftspark Gut Rödinghausen eintreffen. Der Eintritt zu dieser installativ-perfomativen Inszenierung ist frei.
Konsequent mit fokussiertem Blick auf die Menschen in diesem geografischen Korridor. Eine Reise Richtung Horizont, der immer Horizont bleibt. Ein Kontinuum des Ankommens bei stetiger Neuverortung der vorgefundenen Gesellschaft, eine Expedition der Erkenntnis.
Dabei wird die Neuvermessung der Menschen auf drei verschiedenen Materialebenen umgesetzt: Die erste, visuelle Ebene wird durch bekannte assoziierte Gerätschaften der Messtechnik wie farbige Messstäbe, digitale Wasserwaagen und Kreuzlinienlaser inszeniert.
Speziell entwickelte elektro-akustische (Musik-)Instrumente wie rot-weiß-leuchtende Langmaßtrompeten (mit Seiteneinspielung), Saiten-Ellen mit verstärkten Tonabnehmern (quasi körperlose E-Gitarren) und Thereminwaagen liefern neben „echten“ Instrumenten auf der zweiten Ebene den Soundtrack. Körperkarten- und Dokumentationsmaterial als Mischung von Verortungsfunktion, Tonträger und völlig neuer (lesbarer und unlesbarer, analoger und digitaler) Anmutung werden erstellt und auf der dritten Ebene in Beziehung gesetzt. Dabei sind Körpermaße, wie Größe und Gewicht der Menschen völlig unerheblich, ihre Verortung und Bewegung im Raum allerdings von höchster Bedeutung.
Während die erste Materialebene mit dem Bekannten und schon von weitem Erkennbaren spielt, fügt die zweite Materialebene eine zeitbasierte neue Klanglichkeit zum Prozess hinzu, der sich in der dritten Materialeben physisch niederschlägt. Gleichzeitig werden die Ergebnisse der "Vermessung" während des Prozesses dem Publikum zugänglich gemacht, erklärt und ggf. mit diesem diskutiert.
Die entstehende Kartierung der einzelnen Bewohner des 51. Breitengrades wird außerdem als Notationsmaterial umgesetzt und quasi als Partitur genutzt/gespielt. Diese Partitur ergänzt sich ständig und fortschreitend, während die Dichte ihrer Spielbarkeit von den am jeweiligen Ort agierenden Künstlern umgesetzt wird. Über die Kartierung als Spielplan verbinden sich die einzelnen Orte und Menschen zu einer ineinander fließenden Partitur.

 51° - HORIZONTALE TERRITORIEN ist ein Förderprojekt des Kultursekretariates Gütersloh und wird im Rahmen des Projektes "Stadtbesetzung" vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.

1. DEUTSCHES STROMORCHESTER, �Sinfonie mit der Sinfonie-mit-dem-Paukenschlag� im Deutschen Museum Bonn