Massenentsäuerung städtischer Archivalien

2.000 Archivalien in 313 Archivkästen gehen auf Wanderschaft

Die Stadt Menden (Sauerland) nimmt erstmals im Jahre 2018 an der Landesinitiative Substanzerhalt – Mas-senentsäuerung von Archivalien teil.

Landesinitiative Substanzerhalt – Massenentsäuerung von Archivalien

Diese Landesinitiative zur Massenentsäuerung von nichtstaatlichem Archivgut wurde 2006 vom damaligen Ministerpräsidenten Rüttgers ins Leben gerufen. Sie ist gedacht als Maßnahme zur Entsäuerung von kommunalem Schriftgut, d.h. aus Kreis-, Stadt- und Gemeindearchiven, aber auch für private öffentlich zugäng-liche Archive, also z.B. Adelsarchive, Kirchenarchive, Archive von Parteien.

Die Landesinitiative ist organisatorisch bei den beiden Archivberatungsstellen angesiedelt. Das heißt, dass sie für den westfälisch-lippischen Teil an das LWL-Archivamt für Westfalen in Münster, für den rheinischen Teil an das Archivberatungszentrum in Brauweiler bei Köln angeschlossen ist. Das ermöglicht durch die vorhandenen Strukturen ein gutes Arbeiten mit den Archiven.

Grundproblem

Papier wurde bis ca. 1850 aus dem Rohstoff Hadern hergestellt. Man sammelte Lumpen, diese wurden zerkleinert, gereinigt und angefault. Dann mischte man die aufbereiteten Fasern mit Wasser und schöpfte von Hand aus großen Bütten. Durch die hohe Nachfrage nach Papier war aber sehr bald der Rohstoff Lumpen nicht mehr ausreichend. Nachdem um das Jahr 1800 die maschinelle Herstellung von Papier mit der Erfindung der Papiermaschine ihren Anfang nahm, war der Bedarf an Papierrohstoff rasch so groß, dass nach Alternativen zu den Lumpen gesucht werden musste. Kurz von 1900 waren Lumpen, Stroh und Holz zu etwa gleichen Teilen in Deutschland Grundlage für neue Faserstoffe. Holz wurde zu Holzschliff und Zellstoff verarbeitet. Nachdem es nun möglich war, Papier auf der Maschine in endlosen Bahnen herzustellen, gab es schnell Überlegungen, auch die Leimung in diesen Prozess zu integrieren.

Denn damit Papier gut mit Tinte beschreibbar ist, muss es geleimt werden Dazu verwendete man früher tierischen Leim, dieser wurde nachträglich auf das Papier gestrichen. Man machte sich nun also daran, schon der Papiermasse den Leim zuzusetzen, damit alle nötigen Arbeitsgänge für ein glattes, beschreibbares Papier in einer Maschine ablaufen konnten. Nach vielen Experimenten setzte sich die sogenannte Harz-Alaun-Leimung durch, deren Nachwirkung uns heute so viele Sorgen macht.

So kann man zusammenfassend sagen, dass es eine Reihe von Faktoren gibt, die das nach 1850 hergestellte Papier so wenig alterungsbeständig macht. Als erstes die gerade erwähnte Leimung, die das Papier im wörtlichen Sinne sauer macht. Dieses Papier hat tatsächlich einen pH-Wert von weit unter 7; 7 wäre neutral.

Die Verwendung von Holzschliff, d.h. mechanisch aufbereitetem Holzstoff macht auch durch das im Holz vorhandene Lignin das Papier schnell brüchig und gelb wie z.B. eine Zeitung, die auf der Fensterbank in der Sonne gelegen hat. Zudem sind die Holzschliffpapierfasern sehr kurz und bilden deshalb nicht so halt-bare Fasergeflechte. Holzschliff wurde vor allen Dingen für „Wegwerfartikel“ wie Zeitungen, Flugblätter, Broschüren und Plakate verwendet. Heute jedoch sind solche Druckerzeugnisse unter Umständen von großem historischem Interesse und ihre Aufbewahrung und Erhaltung erfordern Wissen und Kapital.

Besonders betroffen sind Papiere von ca. 1840 bis 1970, sie machen geschätzt ca. 50 % vieler Archivbestände aus. Damit eine dauerhafte Aufbewahrung gewährleistet ist, müssen diese Akten entsäuert werden. Ziel der Papierentsäuerung ist es, die im Papier enthaltene Säure zu neutralisieren und einen alkalischen Puffer einzubringen, um den Abbau des Papieres zu verlangsamen oder zumindest deutlich zu verzögern.

Die in diesem Zusammenhang entstehenden Kosten werden mit 60 % der Entsäuerungssumme vom Land bezuschusst. Bei erstmaliger Teilnahme, wie hier im Falle der erstmaligen Teilnahme der Stadt Menden (Sauerland) –Archiv- an dieser Entsäuerungsmaßnahme gibt es sogar einen 70 %igen Zuschuss, der nach einem gerechten Verfahren auf die teilnehmenden Archive verteilt wird.

Um in den Genuss dieses Zuschusses kommen zu können, musste bereits im vergangenen Jahr ein entsprechender Antrag gestellt werden. Zugrunde gelegt wurde ein Eigenanteil zu den Kosten der Entsäuerungsmaßnahme von 5.000 €, dieser wurde entsprechend in den Haushalt für 2018 eingestellt und von den politischen Gremien genehmigt.

Aufgrund des oben erwähnten Verteilerschlüssels erhielt die Stadt Menden (Sauerland) im Januar die Mitteilung, dass von einer Eigenbeteiligung von 3.324 € ausgegangen wird und der Restbetrag zur Entsäuerung durch den Landeszuschuss gedeckt wird.

Das Mendener Verfahren

Bei ihrem Besuch am 23.01.2018 haben nun die verantwortliche Restauratorin, Frau G. Rothkegel aus Münster und der Mendener Archivar, N. Klauke, die infrage kommenden Archivalien besichtigt und das logisti-sche Verfahren abgesprochen.

Am 20.02.2018 werden nun insgesamt 313 Archivkartons mit einem Gesamtgewicht von ca. 1.350 kg aus dem Kellermagazin auf einen Pritschenwagen der Beschäftigungsinitiative und in den Dienstwagen des Münsteraner Restauratoren-Teams geladen und zum Vorbereitungszentrum nach Münster gebracht.

Die für das Projekt Massenentsäuerung eingestellten Restauratorinnen bereiten nun die Archivalien weiter vor. Die anfallenden Vor- und Nachbereitungsarbeiten werden in Münster mit Hilfe von Arbeitskräften aus dem Kreis der Arbeitslosengeld II-Empfänger durchgeführt. Auch wird hier eine Qualitätskontrolle vorgenommen.

Zur Entsäuerung von Papier stehen zwei grundsätzliche Methoden zur Verfügung, die von verschiedenen Firmen, die sich auf Massenentsäuerung spezialisiert haben, entwickelt wurden.

Man unterscheidet das wässrige Verfahren, welches bei der Einzelblattentsäuerung zur Anwendung kommt, vom nichtwässrigen Verfahren, welches für gebundene Archivalien und Bücher die richtige Wahl ist.
Das wässrige Verfahren ist das sogenannte Einzelblattverfahren. Der Ablauf hier gestaltet sich wie folgt:

  1. Foliierung der Bestände (jeden Blatt bekommt eine Blattnummer) und aussortieren nicht geeigneter Blätter (Bypass); anschließend die maschinelle Entsäuerung: sie erfolgt auf wässriger Basis mit einer Lösung aus Magnesiumhydrogencarbonat, Methylcellulose und Fixiermitteln (sogenanntes Bückeburger Verfahren).
  2. Trocknen und Pressen.

Bei den nichtwässrigen Verfahren, der sogenannten Blockentsäuerung, werden

  1. die Akten in einem Halter fächerförmig eingespannt und in der Entsäuerungsanlage vorgetrocknet.
  2. Das Behandlungsgut wird dann mit dem Reagenz umspült, das ist Magnesiumcarbonat und Mag-nesiumoxid in Decafluorpentan, aktiviert mit Kohlendioxid, und so entsäuert.
  3. Es folgt die Trocknung und Rekonditionierung.

Im Gespräch mit der Restauratorin haben wir uns am 23.01.2018 für das zweite, nichtwässrige Verfahren zur Entsäuerung der Mendener Archivalien entschieden. Hierbei brauchen die fadengehefteten Archivalien nicht aufgeschnitten werden und entsteht damit keine Loseblattsammlung, die die Organisation der Archivalien gefährden würde.

Nach der erfolgten Entsäuerung werden die Archivalien in Münster einer Endkontrolle unterzogen und neu verpackt. Hier habe ich entschieden, die entsäuerten Archivalien direkt in neue Archivschachteln verpacken zu lassen, da die bisher verwandten Archivschachteln mittlerweile durch häufige Benutzung arg zerschlissen sind.

Regale gefüllt mit Kartons voller Akten aus dem Stadtarchiv. Die Kartons sind genaustens beschriftet, damit nichts durcheinander kommt oder verloren geht.
Foto: Stadt Menden