Eingriff & Ausgleich

Eingriffsregelung - die Waage für den Naturerhalt

Die Errichtung einer baulichen Anlage in einem bislang unbebauten Gebiet verschlechtert die Funktionen von Natur und Landschaft. Wer einen derartigen "Eingriff" in Natur und Landschaft plant, muss eine Abfolge von drei Fragen klären:

  1. Kann der Eingriff vermieden werden?
  2. Kann der Eingriff vermindert werden?
  3. Wie kann der unvermeidbare Eingriff ausgeglichen werden?

(vgl. Landesnaturschutzgesetz §§ 30 - 32; hier ist darüberhinaus definiert, dass auch weitere für die Natur negative Boden- und Nutzungsveränderungen als "Eingriff" gelten.)

Die Beurteilung des auszugleichenden Eingriffs bedarf eines objektiven Ermittlungs- und Bewertungsverfahrens. Dieses wurde vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) NRW entwickelt: „Numerische Bewertung von Biotoptypen für die Eingriffsregelung in NRW“.

Prinzipiell funktioniert das Bewertungsverfahren folgendermaßen: Der Biotopwert des Eingriffsorts wird im Rahmen einer Skala von 0 - 10 eingeschätzt (z.B.: Straße hat den Biotopwert 0, eine Viehweide den Wert 4, ein natürlicher Bach den Wert 10). Dieser Wert wird mit der durch den Eingriff negativ beeinflussten Flächengröße multipliziert, und das Ergebnis stellt den Eingriffsumfang in Ökopunkten (ÖP) dar. Beispielsrechnung: Eine Ackerfläche (Wert 2) von 300 m² soll bebaut werden → 2 x 300 = 600  (ÖP).

Dieser Eingriff ist durch eine Aufwertung der Biotopfunktion einer anderen Fläche auszugleichen. Dabei ist von dem aktuellen/bisherigen Biotopwert der ins Auge gefassten Ausgleichsfläche auszugehen, denn es wird für den Ausgleich nur die Aufwertung angerechnet (die der Differenz zwischen dem aktuellen Biotopwert der betreffenden Fläche und dem Biotopwert des Entwicklungsziels entspricht). Fortführung der Beispielsrechnung (angenommen, der Bauherr kann Ackerfläche für die Ausgleichsmaßnahme zur Verfügung stellen, möchte die Aufwertung durch eine einfache Pflanzung heimischer, standortgerechter Sträucher erreichen und will nun wissen, wieviel der Ackerfläche er für den Ausgleich benötigt): auf einer Ackerfläche (Wert 2) soll der o.a. Eingriff von 600 ÖP durch eine Strauchpflanzung (als ungeschnittene Hecke - Wert 5) ausgeglichen werden → 600 ÖP : (5 - 2) = 200, d.b., dass 200  m² der Ackerfläche für die Ausgleichsmaßnahme bereitzustellen sind.


Als Ausgleichsmaßnahme kommen vielerlei Möglichkeiten in Betracht, Hauptbedingung ist, dass das Geschaffene einen höheren Biotopwert als der bisherige Standort erfüllt. Dazu einige gängige Beispiele:

bisheriger Biotop-/NutzungstypWert [ÖP]
Vollversiegelung: Bauwerk, Straße0
Schotter mit Minimalvegetation1
Ziergarten2
Acker2-3
Intensivgrünland3-4
geschaffener BiotoptypWert [ÖP]
Blumenwiese5
Schnitthecke3
Strauchstreifen5
Strauchstreifen mit Bäumen6-7
Obstwiese6
Bäume6-7
Gewässer≤ 7

 

Nicht jeder Bauherr kann oder möchte eigene geeignete Flächen für eine Ausgleichsmaßnahme zur Verfügung stellen. Er kann einen dem Ausgleichsbedarf entsprechenden Anteil aus dem Ausgleichsflächenpool der Stadt Menden erwerben. Die Kosten betragen 2,20 € pro ÖP analog der Stadtsatzung.

Die obige Beschreibung der Ermittlung von Eingriff und Ausgleich ist hinsichtlich der Verständlichkeit vereinfacht dargestellt. So ist die Anleitung der LANUV trotz ihres sehr hohen Differenzierungsgrades nicht als abschließend anzusehen, sondern die dort dargelegten Bewertungen sind bezüglich der besonderen regionalen Bedingungen (im nördlichen Märkischen Kreis) anzupassen. Die Beurteilung der Eingriffs-Ausgleichs-Bilanzierung obliegt den zuständigen Behörden - die Untere Landschaftsbehörde (Ansprechpartner Herr  Rademacher) und die Stadt Menden (Ansprechpartner Herr  Zimpel).


Der Ausgleichsflächenpool bezeichnet einen nicht zusammenhängenden Flächenbestand, der von der Stadt Menden zum Zweck des Ausgleichs von Eingriffen in Natur und Landschaft eingerichtet wurde (s.a. Erläuterungen Eingriff - Ausgleich). Auf diesen Flächen wird eine im Sinne des Naturschutzes positive Entwicklung durch eine entsprechende Biotopgestaltung und -pflege verwirklicht. Seit es die Rechtslage ermöglicht (1998) wurden 11 Flächen von insgesamt 52 ha Größe in den städtischen Ausgleichsflächenpool eingestellt. Der Vorteil der Poolbildung steckt in der Größe der einzelnen Flächen.

Die häufigsten Eingriffe (Einzelgebäude inkl. Erschließung) erfordern lediglich Ausgleichsflächen in dreistelliger Quadratmeteranzahl. Die in diesem Rahmen auf den jeweiligen Baugrundstücken realisierbaren, eher punktuellen Maßnahmen liegen in der Regel weit verstreut und können aufgrund ihrer Kleinflächigkeit nur sehr eingeschränkt funktionelle Verbesserungen für die heimische Natur entfalten. Viele Tierarten bedürfen ausgedehnter, spezieller Strukturen und Ungestörtheit, um sich anzusiedeln.

Mit dem Ausgleichsflächenpool wird das besondere Potential ausgeschöpft, das größere Flächen als Lebensraum für Flora und Fauna bieten. Abhängig vom Standort ergeben sich Möglichkeiten zur Realisierung hochwertiger Biotoptypen (z.B. Gewässer) einschließlich ggf. notwendiger Puffer- bzw. Schutzzonen sowie großflächiger, selten gewordener landwirtschaftlicher Nutzflächentypen (z.B. Sumpf- und Magerwiesen/"Blumenwiesen"). Gut ausgebildete derartige Lebensräume sind selten geworden und mit ihnen die darauf spezialisierten Tier- und Pflanzenarten.

Der Vorteil für die Inanspruchnehmer des Pools (die Bauherren der Vorhaben, die einen Eingriff verursachen) liegt im direkt verfügbaren umfangreichen Angebot von Ausgleichsflächen. Jeder Inanspruchnehmer kann einen seinem Ausgleichsbedarf entsprechenden Ausgleichsflächenanteil erwerben und damit seinen Eingriff in Natur und Landschaft ausgleichen. Der in Ökopunkten bezifferte Eingriffsumfang wird wie bei einem Konto abgebucht und finanziell gemäß Stadtsatzung beglichen - daher rührt der Begriff Ökokonto, der die buchungstechnische Seite des Ausgleichsflächenpools bezeichnet.

Die Mendener Ausgleichsflächen liegen im Stadtgebiet verstreut, mit einer schwerpunktartigen Konzentration im Ruhrtal.


In den höheren Lagen Mendens wurden landwirtschaftlich vormals intensiv genutzte Flächen erworben, um sie in extensiv bewirtschaftete Wiesen umzuwandeln. Extensivgrünland ist rar geworden, da es weit geringere direkte Erträge für den Landwirt liefert, als intensiv bewirtschaf-tetes. Die Vegetation des Intensivgrünlands - auch Fettwiese/Fettweide genannt - ist beschränkt auf eine geringe Artenanzahl stark wüchsiger Grassorten, die mehrfach gedüngt werden müssen und den auf Hochleistung gezüchteten Nutztieren ausreichend Nahrungsenergie zur Verfügung stellen. Extensivgrünland, insbesondere in der Form der Magerwiese erhält nur wenig Düngung. Die nährstoffärmeren (mageren) Verhältnisse ermöglichen keine Ansiedlung stark wüchsiger Pflanzen mit einem hohen Stickstoffbedarf. Es entsteht Raum für eine größere Artenvielfalt, die an den bunten Blühaspekten von Blumenwiesen erkennbar wird. Eine artenreiche Flora stellt die Nahrungsgrundlage für eine artenreiche Fauna bereit. Zur Erreichung einer gewissen Artenvielfalt müssen die erwünschten Pflanzenarten zumindest hin und wieder zur Samenreife gelangen. Bereits vor diesem Zeitpunkt haben die meisten Pflanzen schon damit begonnen, die in ihnen eingelagerte Energie unterirdischen Speicherorganen und den Früchten zuzuleiten, d.b., ihr Futterwert nimmt ab. Derartiges Pflanzenmaterial ist von den hochgezüchteten Nutztieren nicht mehr verdaubar, und es wird zunehmend schwieriger, Abnehmer aus Bauernkreisen für das Mähgut zu finden. Die Mahd ist notwendig, um eine Verbuschung zu verhindern. Außerdem wirkt der Abtransport des Mähguts einer Stickstoffanreicherung des Standorts entgegen (über die Luft werden reichlich Stickstoffverbindungen herangetragen, die von den Pflanzen aufgenommen werden). In Kontakt zu den Wiesen gepflanzte Gehölze aus Sträuchern und Bäumen heimischer, standortgerechter Arten sorgen für eine Erweiterung des Nahrungsangebots und bieten für Unterschlupf sowie Brutplatzanlage notwendige Strukturen. Gleichzeitig beleben sie das Landschaftsbild.


Das Ruhrtal besitzt wegen der reichen und vielfältigen Vorkommen von Wasser (Quellen, Flüsse, Bäche, Stillgewässer, Sümpfe) ein besonders hohes Potential für die Entwicklung wertvoller Lebensräume. Wasserreiche Biotope garantieren eine hohe Artenvielfalt. Erfreulicherweise konnte die Stadt Menden im Ruhrtal einige größere Flächen für den Ausgleichsflächenpool erwerben und hier hochwertige Biotopkomplexe schaffen. Die Vielfalt an Biotoptypen - sumpfige Nasswiesen und Röhrichte, Magerwiesen, Weiher, Quellen, Bäche, Gebüsch, Hecken, Wald, Sumpfwald - bietet ein Eldorado für eine Vielzahl an Tier- und Pflanzenarten, darunter auch einige der Roten Liste der gefährdeten Arten. An bemerkenswerten Arten gaben sich bisher hier ein Stelldichein:



  • Rohrammer und Teichrohrsänger brüten regelmäßig im Schilf,
  • die Wasserralle ist ein heimlicher aber steter Wintergast,
  • der Neuntöter schätzt die mittlerweile 7 Jahre alten Sträucher als Nestbaustelle,
  • Feuerlibelle, Südliche Mosaikjungfer und Frühe Heidelibelle sind Zuwanderer aus südlichen Gefilden,
  • beide Granataugenarten, Kleinlibellen mit auffällig roten Augen, kreisen nah über der Wasseroberfläche,
  • die Stabwanze, ein selten anzutreffender Wasserbewohner, lauert auf Mückenlarven,
  • Quellkraut gedeiht am fließenden und Wassernetz im stehenden Wasser,
  • Blaukehlchen, Waldwasserläufer, Flussuferläufer, Flussregenpfeiffer machen hier Rast auf ihrem Durchzug,
  • hin und wieder wirft der Schwarzstorch einen hungrigen Blick auf die Seefrösche.

Auch im Stadtforst wird ein großer Bereich als Ausgleichsfläche eingerichtet. Orientiert am Lauf zweier morphologisch natürlich ausgeprägter Bachläufe werden begleitende Geländestreifen in mindestens 35 m Breite von standortfremden Gehölzen (i.d.R. Nadelgehölzen) befreit, um Platz für eine naturgemäße Bestockung zu schaffen. Angrenzende Windwurfflächen werden einbezogen und entsprechend mit standortgerechten Laubgehölzen bepflanzt.