Fauna, Flora, Biotope

Es ist hinreichend bekannt, dass wir ausreichend sauberes Trinkwasser für unser Überleben benötigen und dass wir aus Ernährungsgründen auf fruchtbare Böden nicht verzichten können. Weniger bekannt ist, dass sauberes Trinkwasser oder fruchtbare Böden vom Wirken unzähliger Organismen abhängen. Viele unserer Nahrungspflanzen benötigen die Bestäubungstätigkeit von Insekten, die ihrerseits Ansprüche an den Lebensraum stellen.
Und wie steht es mit dem Wert einer Blaumeise oder gar eines Schwarzstorchs? Zum Beispiel im Rahmen der Diskussion über Pro und Kontra der Autobahn A46-Weiterführung durch Menden wurde mehrfach geäußert: Ist denn der Schwarzstorch wichtiger als der Mensch? Manche Artenvorkommen fordern auf Grundlage des Artenschutzrechts eine Anpassung menschlicher Großprojekte, und das Verständnis der Öffentlichkeit ist, gelinde ausgedrückt, zwiegespalten - auch der Feldhamster in der Niederrheinischen Bucht liefert dafür ein relativ bekanntes Beispiel.


Die emsige Meise frisst und verfüttert täglich ein Mehrfaches ihres Körpergewichts an Blattläusen und weiteren Kleinkerbtieren. Die Blattläuse knabbern an unseren Rosen. Wir haben 29,50 Eur für unsere Rosen bezahlt und lieben ihren Anblick. Schätzen und schützen wir jetzt auch die Meise? - Ach, es gibt ja genug Meisen, und wir hätten Gift spritzen können. - Auch auf den verlausten Salat, den wir noch essen wollen? Und das Gift kostet immerhin 6,95 Eur - wie wertvoll ist eine Meise?... Der Meise sind diese Gedanken egal, sie versucht ihr Überleben und das ihrer Art zu sichern.


Der Schwarzstorch frisst u. a. Mäuse. Der Bauer weiß, es tummeln sich trotz Storch immer noch Massen von Mäusen auf seinem Feld. Der Naturfreund freut sich, einen Schwarzstorch zu sehen, denn es gibt nur vier davon in Menden. Selten macht wertvoll - Naturfreundethik. Was für ein Thik? Dem Schwarzstorch ist das egal - nicht, dass er selten ist und damit sein Überleben als Art in Gefahr, aber der Rest unserer Gedanken ... Dabei wissen wir noch nicht, dass der Storch ein besonderes Merkmal in sich trägt. Er frisst Mäuse und erkrankt nicht an dem von einigen Mäusen übertragenen Hantavirus, dessen Infektion für unsereins tödlich enden kann. - Erst in 28 Jahren wird ein Mediziner den Mechanismus entschlüsseln, wie der Storch mit dem Virus fertig wird und wie ein entsprechendes Medikament für uns hergestellt werden kann. Glücklicher- und weitsichtigerweise haben wir u.a. für den Storch wichtige Brut- und Nahrungsräume erhalten, sodass sich bis dahin der Mendener Schwarzstorchbestand verdoppeln wird...

Die "inneren" medizintauglichen Werte des Schwarzstorchs für den Menschen sind als rein spekulatives Beispiel angeführt, weil es sich um eine bekannte heimische attraktive Vogelart handelt. Abschließend wird anhand eines konkreten, tatsächlichen Beispiels aus der ferneren Tierwelt gezeigt, welches - evtl. für den Menschen nutzbare - Potential selbst in unscheinbaren Tieren steckt. Wer hätte gedacht, dass der Nacktmull dem Menschen im Kampf gegen Krebs zur Seite stehen könnte? Üblicherweise würde Mensch dieses Tier mit Missachtung bedenken: fremdartig, lebt nur unterirdisch, sieht uselig aus, ... - jedoch ein Nacktmull bekommt keinen Krebs. Soweit bisher bekannt, verhindert ein eigens produziertes Protein, dass sich Körperzellen übermäßig vermehren [Spiegelonline (2009): Erstaunliches Nagetier - Warum Nacktmulle keinen Krebs bekommen]. Nun wird geforscht, wie dieser "Mechanismus" medizinisch nutzbar ist.



Ein Hauptanliegen des Biotop- und Artenschutzes besteht in einem dauerhaften/nachhaltigen Schutz der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten sowie Ökosystemen („biologische Vielfalt", s. auch die sehr informative, lebendig beschriebene und bebilderte Broschüre des Bundesumweltministeriums.
Eine Grundlage im wörtlichen Sinne stellen die Böden dar, die den Standort für alles auf ihm und in ihm stattfindende Leben bereitsstellen (sowohl organische, als auch mineralische Nährstoffe, Wasserhaushalt und physikalisch-mechanische Funktionen). Je nach Art und Ausprägung seiner physikalischen sowie chemischen Eigenschaften ist er zudem in der Lage Schadstoffe zu filtern oder abzupuffern. Konträr zu diesen überlebenswichtigen Funktionen steht der derzeitige Umgang mit Boden: In den letzten Jahren, zu denen statistisch aufbereitete Daten vorliegen, wurden in der BRD täglich 114 ha (= 1.140.000 m² bzw. 160 Fußballfelder) für Siedlung oder Verkehr verbraucht und entsprechend hochgradig versiegelt.
Durch diesen schwer umkehrbaren Verbrauch der Lebensraumressource Boden und durch Schädigung weiterer Lebensraumstrukturen (Vegetation, Gewässer, Geländeformen etc.) wird die biologische Vielfalt ständig gefährdet oder sogar unwiederbringlich reduziert. Zur Zeit verschwinden alljährlich 27.000 Tier- und Pflanzenarten für immer von unserer Erde [Bundesministerium für Bildung und Forschung in: Natur und Landschaft (2008), Heft 8, S. 376], zwischen 1970 und 2005 starben 1/3 aller Arten aus. Dieser anhaltende massive Artenschwund gefährdet Fortbestand und Funktion der Ökosysteme weltweit, von denen letztlich auch die menschliche Existenz abhängt. Das Jahr 2010 war von der internationalen Staatengemeinschaft als „Internationales Jahr der biologischen Vielfalt" benannt worden, in dem der Artenschwund gestoppt werden sollte - dieses Ziel wurde bei weitem nicht erreicht. Entsprechend seiner existentiellen Bedeutung wurde nun ähnlich dem Weltklimarat ein internationales Wissenschaftlergremium für den Erhalt der biologischen Vielfalt gegründet, das fundierte Handlungsanweisungen für die Weltregionen und Staaten erarbeiten soll.
Neben der für das menschliche Überleben existentiellen Komponente liefert die biologische Vielfalt alltäglich auch unter ökonomischen Gesichtspunkten Rekordleistungen. Auch wenn das Aussterben von Arten nicht direkt im Portemonaie des Einzelnen bemerkt wird, der ökonomosche Motor der Natur ist der stärkste überhaupt. Pro Jahr stellen nach EU-Angaben die Ökosysteme Leistungen im Wert von 26 Trillionen Euro bereit - weit mehr als der Mensch weltweit produziert. Es wäre klug, die biologische Vielfalt zu schützen, eben weil wir nicht wissen, was sie uns noch nutzen könnte." [IN: BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT (2007): Ressourcen schonen, gesünder leben, Vielfalt schützen, UMWELT Nr. 10/2007, S. 566ff.] Einige weitere Zahlen:

  • Der jährliche Marktwert der aus den genetischen Ressourcen abgeleiteten Produkte wird auf 500 bis 800 Milliarden US-Dollar geschätzt.
  • Der jährliche Nutzen der gesamten Ökosysteme der Welt wird auf 16 bis 64 Billionen US-Dollar geschätzt (inkl. Klimaeffekte, Wasserreinhaltung etc. - Anm. d. Verf.).
  • Deutschland ist in Europa der größte Importeur von getrockneten pflanzlichen Stoffen, die für Arzneimittel verwendet werden. Weltweit beträgt deren Umsatz 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

[IN: BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT (2007): Nationale Strategie zur bioloigischen Vielfalt, UMWELT Nr. 12/2007, S. 714f.].

  • Zehn der 25 weltweit erfolgreichsten Medikamente werden aus (natürlichen) Organismen gewonnen. Der daraus resultierende Weltmarktwert wird auf 75 - 150 Milliarden Dollar pro Jahr veranschlagt.

[IN: BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT (2008): Kosten durch Verlust biologischer Vielfalt, UMWELT Nr. 4/2008, S. 191]

Darüberhinaus ist es für die „Krone der Schöpfung" unter ethisch-moralischen Aspekten unwürdig, Arten aus Gebieten oder sogar weltweit zu verdrängen bzw. auszurotten.


Ein aktuell sich verschärfendes Problem wächst unter dem vorgeschobenen Argument der Klimaschonung mittels einer vermehrten Nutzung von „Biosprit". In einer von Greenpeace durchgeführten Analyse von Agrodiesel sowie regulärem Diesel fanden sich in 20 % der untersuchten Biodieselproben bis zu 25 %-Anteile Palmöl und bis zu 75 % Sojaöl. Für den Anbau dieser Pflanzen werden riesige Flächen Regenwald gerodet, die einerseits die artenreichsten Regionen unserer Erde präsentieren und andererseits zu den effektivsten CO2-Speichern gehören ... - die Betrachtung dieser Thematik auf Weltebene ist in mehrfacher Hinsicht Schwindel erregend.



Auf lokaler und persönlicher Ebene kann durch umweltbewusstes Verhalten ein kleiner aber nicht unwichtiger Beitrag geleistet werden. Gartenbesitzer können Bereiche ihres Gartens attraktiv für die heimische Lebewelt einrichten. Sie können sich in einem Naturschutzverein (NaBu, BUND, LNU) informieren oder engagieren, an Kursen, Ausflügen, Fort- oder Weiterbildungen teilnehmen (Naturschutzzentrum MK, Naturstation Arche Menden, Natur- und Umweltschutzakademie, LIW u.s.w.) oder selbst in Ruhe forschen und dann weitere Menschen anstoßen.




(Text und Fotos: Stefan Kostyra-Ketzscher)


Bienenverwandschaft

Zusammen mit den Ameisen und verschiedenen Wespenfamilien bilden die Bienen die Sektion der Stechimmen, die zur artenreichsten Insektenordnung Mitteleuropas, den Hautflüglern gehören. Die nicht immer deutliche Wespentaille, eine Einschnürung zwischen Brust und Hinterleib unterscheiden sie von anderen Insekten, die Vierflügeligkeit (bei einigen Arten oder Gruppen reduziert, z.B. Ameisenarbeiterinnen) von einigen auf den ersten Blick ähnlichen Schwebfliegen. Die vier häutigen Flügel sind allerdings nur am leblosen Tier problemlos nachzuzählen.

Bei eingehender Betrachtung verschiedener Schwebfliegen und Hautflügler fällt auf, dass bei ersteren das Gesicht fast ganz von den großen Augen eingenommen wird und dass die Fühler sehr kurz (halb so lang wie die Gesichtshöhe), steif und in einer kleinen Keule mit davor abzweigender Borste enden. Hautflügleraugen sitzen nierenförmig an den Stirnseiten und die Fühler sind fadenförmig, gekniet (auf einen am Kopf ansitzenden längeren Abschnitt=Schaft folgt nach einem m.o.w. deutlichen Knick eine längere Geißel aus 10 - 11 kurzen Gliedern), beweglich und mindestens so lang wie das Gesicht.


Im Grundbauplan besitzen alle Stechimmen einen der Abwehr dienenden Giftstachel, der allerdings bei vielen Ameisen im Laufe der Evolution reduziert wurde. Da er entwicklungsgeschichtlich aus dem Eilegeapparat hervorging, können nur die Weibchen stechen. Sämtliche Bienen auf den ersten Blick als solche zu erkennen, ist nicht so ganz einfach. Neben „typischen" pelzig behaarten (z.B. gehören Hummeln zur Familie) gibt es u.a. auch an Solitärwespen erinnernde schwarzgelb gestreifte, kahle Formen. Um erstere von letzteren äußerlich kategorisch zu unterscheiden, muss ein Blick auf die Ferse eines Hinterbeins geworfen werden (die keine Putzvorrichtung wie bei den Wespen aufweisen darf), aber das führt zum Lupeneinsatz und an dieser Stelle zu weit ... Wirklich typisch für Bienen wäre die Nahrungsgrundlage von Erwachsenen und Brut: Pollen und Nektar, wenn es nicht eine Ausnahme gäbe (in Mitteleuropa): die Honigwespe - alle anderen Wespenarten verfüttern Fleischliches an ihre Kleinen.



Bienenleben

Es beginnt im Jahresverlauf mit den ersten, mehrere Stunden währenden, wärmenden Sonnenstrahlen (in der Sonne über 10 0C) - die Honigbienen schwärmen aus und ganz vereinzelt brummelt schwerfällig eine Hummelkönigin auf der Suche nach einer Nektartankstelle durch die Botanik. Diese reagiert jedoch viel träger auf moderne Klimakapriolen, und so gibt es für die Hummeln noch nicht viel zu saugen. Doch in der zweiten Märzhälfte entwickelt sich nach und nach ein immer muntereres Bienentreiben. Von großer Bedeutung für diesen Saisonstart ist ein ausreichendes Angebot an Pollen- und Nektarquellen. Z.B. Weidenarten, oft als Unkraut verschrien, liefern eine erste ergiebige Tracht. Ein reichhaltiges Angebot an weiteren Wildblumen ist ebenfalls wichtig, denn manche Wildbienenarten fliegen nur auf bestimmte Pflanzenarten.
Unter den Bienen sind Hummeln bei den niedrigsten Temperaturen aktiv. In der so von ihnen erschlossenen, vergleichsweise langen Aktivitätsperiode erbringen sie für ihren Arterhalt etwas Besonderes - sie gründen einen Sozialstaat. Jede überwinterte Königin legt in einem Hohlraum (z.B. Baum- oder Erdhöhle) ein Nest an. Aus ihrem ersten Gelege, das sie regelrecht erbrütet - sie hält es selbst bei Außentemperaturen bis zu 3 °C auf konstant rd. 36 °C -, schlüpfen etwa ein Dutzend unfruchtbare Arbeiterinnen. Diese unterstützen sie bei der Pflege der kommenden Bruten, die zunächst weitere Arbeiterinnen und erst später zum Ende der Saison Männchen sowie neue Königinnen hervorbringen. Diese setzen nach ihrer Überwinterung den neuen Jahreszyklus in Gang. Altköniginnen, Arbeiterinnen und Männchen hingegen überleben den Herbst nicht.


Die meisten Bienenarten leben solitär, manche Arten bilden allenfalls Brutgemeinschaften. Jedes überwinterte Weibchen errichtet eine kleine arttypische Brutstätte. Diese wird meist in Form einer Röhre in unterschiedlichen Substraten angelegt: markige oder hohle Pflanzenstengel, Bohrgänge anderer Insektenlarven in Holz, selbstgegrabene Gänge in vegetationsfreien Bodenbereichen, verlassene Schneckenhäuser usw. Die Röhren werden mit artspezifischen Rezepturen aus wasserabstoßenden Drüsensekreten mit Pflanzen- oder Bodenteilchen ausgekleidet, meist in Zellen segmentiert. Jede Zelle wird mit einem Pollen-Nektarvorrat und einem Ei versehen.
Eine weitere Brutaufzuchtsform stellt der Brutparasitismus dar. Die meisten der Brutstätten bauenden Bienenarten müssen sich vor einer bis einigen speziell auf sie fixierten „Kuckucksbienenarten" hüten. Diesen fehlen auffällige Pollentransporteinrichtungen wie dichte Bauch- oder Hinterbeinbehaarungen. Sie lassen die Nahrungsvorräte von ihren Wirtinnen sammeln. Schmarotzerhummelweibchen töten und ersetzen die Wirtskönigin. „Solitäre" Kuckucksbienen vernichten selbst oder als kräftige, früh schlüpfende Larve die Wirtsbrut (z.B. die Wespenbienen = Gattung Nomada, Bild s.o.).


Die Liste der Bienenparasiten ist lang und mannigfaltig, schließlich bieten Bienennester eine gehaltvolle Mahlzeit. Trotz ihres Wehrstachels fallen auch erwachsene Bienen nicht wenigen Fraßfeinden zum Opfer (Vögel z.B. Bienenfresser, Spinnen).

Bild links: Die Krabbenspinne Misumena vatia sucht sich eine Blüte (oder Blütenstand), die ihrer Körperfarbe entspicht und lauert darin, getarnt versteckt auf Blütenbesucher. Auch eine an sich wehrhafte Biene wird blitzschnell durch Giftbiss gelähmt.

Der Bienenalltag ist überwiegend der dem Arterhalt dienenden Brutfürsorge gewidmet. Abgesehen von den robusten und unempfindlicheren Hummeln, nebst einigen wenigen größeren, starkbehaarten Arten sind die meisten Bienen erst bei warmem Sonnenschein aktiv. Entsprechend sind trockenwarme Lebensräume dichter und artenreicher besiedelt. Bienen benötigen zur Nahrungsversorgung eine reichhaltige, konstante Blütentracht. Es gibt Nahrungsgeneralisten aber auch einige -spezialisten, die nur an einer bis wenigen Pflanzenarten sammeln.
Nachts und bei Schlechtwetterphasen ruhen die Weibchen i.d.R. in ihren Brutplätzen, die Männchen und die Kuckucksbienen in irgendwelchen Gängen oder Höhlungen, gekauert in Blüten oder ganz freihängend an Pflanzenstengeln, angeklammert mit den Beinen oder artspezifisch auch häufig nur mit den Mandibeln (zangenartige Mundwerkzeuge), was etwas an eine Zirkusnummer erinnert.


Natur-Bienen-Mensch-Beziehungen

Zunächst soll der womöglich beunruhigte Blick auf den Wehrstachel entspannt werden. Wer keinen Trommelwirbel auf dem Honigbienenkasten hinlegt, keinen voll entwickelten Hummelstaat mit dem Spaten teilt, hat nichts zu befürchten. Die solitären Arten tun sowieso nichts, sie können ungestraft gestreichelt werden (bitte nicht dabei festhalten). Eine Bienenkolonie auf einem Kinderspielplatz ist also völlig unbedenklich, zumindest aus Sicht der Kinder.
Wildbienen sind von immenser Bedeutung für den Naturhaushalt. Vor 100 Mill. Jahren entwickelten sich die ersten Bienen aus räuberisch lebenden Vorfahren. Ihre Ernährungsumstellung auf vegetarische Blütenkost setzte eine auf gegenseitige Abhängigkeit beruhende evolutive Entwicklung in Gang, deren Zwischenstand heute bei ca. 25.000 Bienenarten und bei ca. 250.000 zum großen Teil unter anderen und zum kleineren Teil ausschließlich von Bienen bestäubten Pflanzenarten liegt. So hängen heute Pflanzenexistenzen von Wildbienenexistenzen ab und umgekehrt.


Ein interessantes Beispiel liefert der Salbei. Wie alle Lippenblütler bietet seine Blüte eine Unterlippe als Landeplatz an. Diese führt am Ansatz zu einer geschlossenen Röhre, an deren Grund ein leckerer Tropfen Nektar lockt. Vorgesehenerweise kann diesen nur erreichen, wer einen langen Rüssel auszufahren vermag - z.B. einige Bienenarten. Keine Biene verfügt jedoch über einen so langen Rüssel, dass dieser vom Landeplatz aus bis zum Salbeiröhrengrund langen könnte. Sie muss sich also ein Stück in die Röhre schieben. Nun kommt der Salbeitrick:

1. ist bei der frisch entfalteten Blüte der Griffel samt Narbe strikt an die Oberlippe gepresst und ragt nur kurz und für den Bienenrücken kaum erreichbar über den leicht eingekerbten Blütenoberrand hinaus.

2. sind die beiden Staubbeutel prallvoll mit Pollen beladen, sie hängen im äußeren Blütenschlund etwas unterhalb der Narbe (aber ohne diese zu berühren zwecks Vermeidung einer Selbstbefruchtung) an zwei langen Staubfäden dicht nebeneinander. Stellen Sie sich nun ein L vor, bzw. zwei L parallel direkt miteinander verbunden. An der Spitze der langen L-Schenkel (=Staubfäden) sitzen die Staubbeutel. Durch den Winkel der beiden L geht eine Achse. Die kurzen L-Schenkel, zwei reduzierte Staubblätter, sind plattenartig verbunden.


3. nun drückt die Biene beim Angeln nach dem Nektar mit ihrer Stirn gegen die Platte - das L dreht sich in der Achse, folglich neigt sich die Spitze des langen Schenkels mit den Staubbeuteln und tupft diese auf den Rücken der Biene.


4. Pollenbepudert kommt die Biene irgendwann an einer etwas älteren Salbeiblüte vorbei, deren Griffel sich verängert und samt Narbe etwas abgesenkt hat (die Staubbeutel tragen keinen aktiven Pollen mehr), dann streift die Biene beim Eintauchen in die Blüte den Pollen an der Narbe ab - Bestäubung erledigt.


Unter den Hummeln gibt es aber auch einige Spitzbuben, die aus der Not heraus, einen zu kurzen Rüssel zu besitzen, mit ihren kauenden Mundwerkzeugen (Mandibeln) ein Loch in die Blütenröhre nagen und den Nektar durch selbiges ansaugen - ohne die Blüte zu bestäuben.

Die kurzrüsselige Kryptarum Erdhummel (Bombus cryptarum), rechts im Bild, ist solch ein Kandidat. An der Blüte unter der gerade "bearbeiteten" ist mit Pfeil ein geknabbertes Loch markiert.


Die Bedeutung einer arten- und individuenreichen Wildbienenfauna für den Fortbestand unserer Flora (inkl. Obstgehölze) kann nicht stark genug betont werden. Womit der tüchtige Einsatz der Honigbiene nicht geschmälert werden soll, aber sie schafft es nunmal bei weitem nicht allein, sämtlichen wichtigen Blütenpflanzen zum Fruchtansatz zu verhelfen.

Bienenhilfe

Falls nun das Interesse für diese Tiergruppe geweckt wurde und damit auch der Wunsch, etwas für Wildbienen zu tun, folgen einige Vorschläge:

  • Einen vor der Bearbeitung stehenden Garten- oder Gebäudeteil genau beobachten und eventuelle Brutplätze verschonen - jede Art von Löchern kommt infrage.
  • Abgestorbene Pflanzenteile (Staudenstengel, markige Zweige von Rosengewächsen, Holunder etc.) an Ort und Stelle belassen oder auf 30 cm Länge geschnitten und gebündelt überflutungssicher, an einem sonnigen Platz lagern oder aufhängen.
  • Gut abgelagerte Hartholzblöcke quer zur Maserung mit zahlreichen 5 - 10 cm tiefen und 3 - 9 mm weiten, zum Ende leicht aufwärts weisenden (Verhinderung von eindringendem Regenwasser) Bohrlöchern versehen, an einem sonnigen Platz anbringen (funktioniert auch auf dem Balkon), - an den Bohrlöchern dürfen keine Risse, an den Lochrändern möglichst keine Ausfaserungen (scharfe Bohrer verwenden) entstehen - ein erfolgreicher Einzug ist am Verschluss der Behausung/des Lochs zu erkennen.
  • Spezialstandorte für bodenbrütende Arten anbieten: aus grabbarem (Fingernagelschabeprobe), also nicht zu dichten aber auch nicht in sich zusammenfallenden oder sich ausspülenden Bodenmaterial, mit vegetationsfreien Stellen, senkrecht (Abstiche natürlich gesetzten Bodens mit hohem Schluff und/oder Feinsandanteil in Verschalungen oder Blumenkästen eingepasst oder an Ort und Stelle als Geländestufe belassen) bis leicht geneigt (überflutungssicher), evtl. vorbohren, da Löcher eine magische Anziehungskraft ausüben - experimentieren und Geduld haben, von einigen Arten werden z.B. auch Löcher von Ziegelsteinen besiedelt. Oft reicht es auch einfach, in einem humusarmen Bereich die Vegetation zu lichten und niedrig zu halten.

Weitergehende Informationen nebst hervorragenden Fotos gibt es auf einigen Internetseiten, z.B. diese oder jene.




(Text und Fotos: Stefan Kostyra-Ketzscher)


Schwarzgelb oder Ich steche!

Schwarzgelb heißt auf Deutsch: Finger, Pfoten, Schnauze weg - Schmerz und Gefahr! Eine Warnfarbgebung, die die Wespen erfanden. Dem tierischen Insektenfresser oder Nestbedroher signalisieren diese leuchtenden Farben, dass die anvisierte Beute schmerzhaft sticht. Mittlerweile machen sich auch andere Gliederfüßler dieses Schmerz versprechende farbliche Alarmsignal zu Nutze, allerdings mangels Stachel nur als leere Drohung - insbesondere einige Schwebfliegen, Glasflügler (eine Schmetterlingsgruppe), einige Bockkäfer und die Wespenspinne.


Erste Hilfe bei Wespenstichen
- auch auf Stiche anderer "Gift" injizierender Tiere anwendbar → Bienen, blutsaugende Insekten, europäische Spinnen und vmtl. Skorpione, Fische mit "Stacheln" (Petermännchen, Skorpionsfische etc.) ← wichtig ist, dass der injizierte Wirkstoff aus Eiweissen/Proteinen besteht -
Proteine zersetzen sich bei Hitze. Wenn der "Gifttropfen" nur relativ dicht unter die Hautoberfläche gelangt, wie es bei den o.g. Tiergruppen i.d.R. der Fall ist (deshalb funktioniert es z.B. nicht bei Schlangenbissen und großen, kräftigen Spinnen- oder Skorpionarten) kann mittels einer kleinen Hitzequelle die Einstichstelle aufgeheizt werden → Feuerzeug (Düsenrahmen oder offene Flamme), erhitzter Metallgegenstand, Tuchzipfel in kochendes Wasser etc. Es muss möglichst schnell nach dem Stich (< 3 Minuten), möglichst heiß und gründlich angewendet werden (d.h. Stichstelle kurz hintereinander mehrfach der Hitze aussetzen - gesamter Behandlungszeitraum 1 - 2 Minuten). Nach Abklingen der lokalen Irritationen in kurzer Zeit sind die Sympthome beendet, und es bildet sich am folgenden Tag auch keine zuerst schmerzende und später juckende Schwellung mehr.

 


In diesem Artikel wird die Gruppe der staatenbildenden Wespen oder Papierwespen näher betrachtet. Sie sind mit den Bienen fern verwandt, füttern aber im Unterschied zu diesen ihre Brut mit fleischlicher Kost - von der Blattlaus oder Stubenfliege bis zum Stück Parmaschinken, wenn sie letzteres von unserem Teller stibitzen können. Im letzteren, gewiss selteneren Fall gehören sie zu unseren Nahrungskonkurrenten - in den häufigeren Fällen stehen sie auf „unserer Seite", indem sie die uns plagenden Geister etwas dezimieren.
Sie bilden Staaten, je nach Art mit unterschiedlich großer Einwohnerzahl. Wie bei den Wildbienen (z.B. Hummeln) überleben nur die Jungköniginnen der Saison den folgenden Winter, um zu Beginn der nächsten Saison einen neuen Staat zu gründen. Sie verlassen spätestens Ende Oktober (oft eher) das Nest, in dem sie aufgewachsen sind, paaren sich mit den zeitgleich ausfliegenden Männchen, suchen sich ein geeignetes Winterquartier und bauen im Frühjahr grundsätzlich an anderer Stelle die ersten Zellen des neuen Nestes. Jede Zelle wird mit einem Ei belegt, und die daraus schlüpfenden ersten Larven werden von der Königin mit Nahrung versorgt. Die sich daraus entwickelnden Arbeiterinnen sind unfruchtbar. Sie übernehmen - ähnlich wie bei der Honigbiene - die Aufgaben des Nestbaus, der Nahrungsbeschaffung für Larven und Königin, der Nestverteidigung und der Temperaturregelung. Letztere wird durch den Einsatz der Flugmuskulatur bewerkstelligt: bei Hitze werden einige Wespen Flügel schlagend zu Ventilatoren und bei Kälte erzeugen die sich rasend schnell kontrahierenden Muskeln sozusagen „im Leerlauf" mit stillgehaltenen Flügeln Wärme.


Das Nestbaumaterial besteht aus zerkauten verholzten Pflanzenteilen. Das Nest wird in hauchdünnen Lagen aufgebaut. Das Material wird durch rasche Austrocknung und durch seinen Verbund vieler aneinander stoßender sechseckiger Zellen zu Waben relativ formstabil. Es ist papierartig, daher werden die staatenbildenden, sozialen Wespen auch Papierwespen genannt. Der Nestgrundbauplan ist bei allen Arten gleich. Die Königin formt zunächst einen Stiel an das Trägersubstrat (flächige Decke oder Ast). Daran wird die erste Wabe gesetzt. Bei den "Echten Wespen" wird diese noch von einer schützenden Hülle umgeben, bei den "Feldwespen" bleibt sie frei. Die daraus schlüpfende erste Generation von Arbeiterinnen baut diese Etage je nach Raumangebot noch zu den Seiten aus und setzt zudem einen Stiel für die folgende Wabe an. Nach diesem Prinzip entstehen Nester aus mehreren Waben/Etagen. Die Nistplatzwahl ist artspezifisch. Einige kleben ihre Nester in Gebüsch und beweisen so, dass ihr „Papier" auch Regengüssen trotzen kann. Andere ziehen witterungsgeschützte Höhlungen im Boden, in alten Bäumen oder Gebäuden vor.


Oben wurde schon angedeutet, dass Wespe nicht gleich Wespe ist. In Deutschland gibt es rund 600 Wespenarten, die stechen können. Die meisten leben solitär, bilden also keinen Staat, haben mit ihrem Stachel Wichtigeres zu tun als Menschen zu pieksen, sind oft nicht mal schwarzgelb gezeichnet, kleiner und fallen auch aufgrund ihres eher zerstreuten Vorkommens weniger auf.


Zu den hier betrachteten staatenbildenden Wespen gehören nur 8 „Echte Wespen"- (Unterfamilie: Vespinae) und 3 „Feldwespen"-Arten (Unterfamilie: Polistinae), von denen in Menden nach meiner Kenntnis 7 Arten der „Echten Wespen" und eine „Feldwespe" vorkommen. 


Beide Wespengruppen sind anhand ihrer Taille zu unterscheiden. Bei den Feldwespen setzt der Hinterleib konisch spitz zulaufend an den Brust-Körperabschnitt an. Ihre Körperlänge von durchschnittlich 15 mm unterscheidet sie von ähnlich schwarzgelb gefärbten aber meist deutlich kleineren Solitärwespen- und Wildbienenarten. Sie lieben Wärme und sind deshalb im Süden Deutschlands sowie Europas häufiger und artenreicher als bei uns. In Menden habe ich bislang nur die „Gallische Feldwespe (Polistes dominulus)" beobachtet. Hier legt diese Art nur Nester in temperaturbegünstigten Hohlraümen an. In südlichen Regionen wird das Nest auch frei in der niedrigen Vegetation angebracht. Die Nester bleiben mit bis zu 150 Zellen relativ klein. Nur durchschnittlich bis zu 30 Arbeiterinnen versorgen Brut und Königin. Die Gallische Feldwespe verhält sich friedfertig. Ein Stich wirkt nur kurz und wenig schmerzhaft. Die Art besucht häufig Doldenblütler. Hier versorgt sie sich mit Kohlenhydraten, dem Brennstoff für ihren Energiebedarf.


Auch die „Echten Wespen" besitzen die für Stechimmen typische Wespentaille in Form einer stielartigen Verbindung zwischen Brust und Hinterteil. Dieses beginnt ab Ansatzstelle im Unterschied zu den Feldwespen vertikal abgeflacht. Aus dem spitz zulaufenden Ende des Hinterteils wird bei Gelegenheit gestochen, manchmal zur Überwältigung kräftigerer Beutetiere oder zur Verteidigung. Selten kursieren noch Aussagen wie „3 Hornissenstiche töten einen Menschen und 7 ein Pferd". Das ist Unsinn. Im Labor wurde an Ratten und Mäusen eine LD50-Rate von 154 Stichen pro kg Körpergewicht ermittelt. Entsprechend wären viele Hundert Stiche nötig, um einen Menschen umzubringen. Bei einigen Menschen bildet sich allerdings schon nach dem ersten Wespenstich eine Allergie aus, die bei später erfolgenden weiteren Stichen zu lebensbedrohlichen Zuständen führen kann (s. z.B. Reaktionen auf Hornissenstich).
Die Bereitschaft zu stechen hängt ab von der Artzugehörigkeit, der jahreszeitlichen, örtlichen und witterungsbedingten Situation. Früh im Jahr sind die Völker sowie die Arbeiterinnen noch kleiner und weniger leicht erregbar. An belebten Orten (z.B. Wegränder) gewöhnen sich die Tiere an die Nähe von Menschen. Wenn im fortgeschrittenen Hochsommer die Völker ihre volle Größe erreicht haben, die gefüllten Brutzellen die volle Aufmerksamkeit der Arbeiterinnen erfordern und wenn dann noch schwüle Hitze herrscht, scheint auch manches Wespenvolk reizbarer zu sein. Bei Bedrohung des Nestes können die „Echten Wespen" ein Alarmpheromon ausscheiden, dass zur Mobilisierung aller Nestinsassen dient.


7 "Echte Wespen“-Arten habe ich bis jetzt in Menden beobachtet. Die größte unter ihnen, die „Hornisse“ (Vespa crabro), fällt buchstäblich aus dem Rahmen. Die Körperlänge der Königin kann bis zu 35 mm erreichen. Ähnlich beeindruckend ist ihr tief brummendes Fluggeräusch im Vergleich zu dem anderer Fluginsekten. Nur bei der Hornisse sind die hellen Zeichnungselemente des Brustabschnitts (Körpermittelteil) braun gefärbt.

Das Nest wird in Hohlräumen angelegt, nicht selten in Baumhöhlungen. Die Volksstärke kann 1.700 Tiere erreichen. Eine Besonderheit der Hornisse liegt in ihrer langen täglichen Aktivitätsperiode von bis zu 22 Stunden. Erfahrenen Arbeiterinnen reichen noch Lichtwerte von 0,03 Lux für die Jagd (Hummeln und Honigbienen sammeln bis 0,1 Lux - aus leuchtenden, duftenden Blütenkelchen). Hornissen überwältigen allein aufgrund ihrer Körpergröße die meisten der Insekten, die langsamer sind als sie. Auch Wespennester werden geplündert und an die Brut verfüttert. Der Kohlehydratbedarf (u.a. Flugtreibstoff) wird mit Baumsäften und Obst gedeckt. Die Hornisse gehört zu den friedfertigen Arten. Behutsam sich bewegende Beobachter duldet sie auch ganz nah am Nest. Die Hauptflugbahn sollte nicht versperrt werden. Dann kann man zusehen, wie alle paar Sekunden Hornisse nach Hornisse abfliegt: gradlinig, unbeirrt, souverän - und wie ihnen im gleichen Rhythmus die Heimkehrerinnen Futter eintragend entgegenkommen, von den Wärterinnen am Nesteingang kurz abgestastet (wir kennen das von den Metalldetektoren und -detektorinnen am Flughafen) und beschnüffelt werden (Staatzugehörigkeit ok?). Etwas ungemütlich kann es dem unfreiwilligen Beobachter werden, der am lauen Sommerabend auf seiner Terrasse sitzt, das typische tiefe Brummen hört, die große, sonst so souverän wirkende Hornissenarbeiterin im Lichtkegel an die bestrahlte Hauswand klatschen sieht, um sodann schlecht koordinierte Kurven und Loopings um Bierflaschen und sich duckende Köpfe zu drehen. Wer weiss, ob SIE sich, abgestürzt in einen Hemdkragen, nicht von irgendwas angegriffen fühlt und sticht? Hornissen werden nachts von manchen Lichtquellen magisch angezogen. Die Hornisse stand in den 90er Jahren noch auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Sie hat sich - auch in Menden - etabliert und ist nicht mehr selten.


„Kleine Hornisse" wird die „Mittlere Wespe (Dolichovespula media)" auch genannt und erreicht immerhin eine Körperlänge von bis zu 22 mm. Sie gehört zu den „Langkopfwespen" , d.h., zwischen Augenunterrand und Beißwerkzeug (Mandibel) ist ein kleines Stückchen Wange, quasi ein Rand unter dem Auge ausgebildet - fast so lang wie ein Fühler (Antenne) breit und mit bloßem Auge wegen der wespenaugengleichen Färbung kaum zu erkennen, aber DAS Erkennungsmerkmal für die Gattung Dolichovespula. (Es sei schon einmal vorweggenommen, dass alle hiesigen Langkopfwespenarten sich absolut friedfertig verhalten und angstfrei im menschlichen Territorium geduldet werden können.)
Die „Mittlere" hängt ihre Nester ins Gebüsch, in meinem Garten noch nicht einmal besonders witterungsgeschützt im Randbereich eines Rosenstrauches (Bild s.o.). Der immer unten liegende Nesteingang kann mitunter zu einer Röhre ausgezogen sein. Das fast kugelig geformte Nest wird nie größer als 30 cm (ohne Röhre), es kann bis zu 1.700 Tiere, darunter max. 500 Arbeiterinnen, beherbergen.
Die Mittlere Wespe verhält sich absolut friedfertig und gelassen. Sie kann bedenkenlos aus der Nähe beobachtet werden, z.B. beim Nestbau (bei der Fotodistanz hinderte mich die Rose, nicht die Wespen). Immer, wenn ich im Frühjahr eine Wespenkönigin fange, zur Artbestimmung in eine Petrischale setze und die Dame blickt mich ruhig sitzend aber aufmerksam durch den Glasdeckel an, dann weiß ich schon, es ist eine „Mittlere". Sie interessiert sich nicht für unsere Marmeladenbrote oder unser Mittagessen auf dem Gartentisch, sondern für Blattlaus und Co., ist also eine nützliche Mitbewohnerin in unseren Gärten, die mit Freude begrüßt werden sollte. Leider wird ausgerechnet ihr Nest oder das ihrer wohl ebenso harmlosen Gattungsverwandten - weil so offen sichtbar - am ehesten zerstört (dabei nisten die eigentlichen schwarzgelben „Plagegeister" nur versteckt - s.u.). Die Mittlere Wespe steht auf der Roten Liste. Ihr Arterkennungsmerkmal ist die ganzflächig gelb gefärbte Bucht in den nierenförmigen Augen in Kombination mit der langen Wange.
Wie alle anderen Langkopfwespen hat auch die „Sächsische Wespe (Dolichovespula saxonica)" nur einen schmalen gelben Streifen am Unterrand der Augenbucht. Sie ist an den zusätzlichen Merkmalen eines kleinen gelben Wangenflecks und einer ankerförmigen schwarzen Zeichnung auf dem gelben, unten zwischen den Augen liegenden Schild zu erkennen. Ihre frei in Gebüschen oder Gebäuden hängenden, bis 25 cm messenden, leicht asymmetrisch erdbeerfömigen Nester, beherbergen maximal 1000 Tiere, davon bis zu 300 Arbeiterinnen. Sie verhält sich friedfertig und interressiert sich nicht für Süßspeisen.


Im Unterschied zur vorigen Art zeigt die „Waldwespe (Dolichovespula sylvestris)" keinerlei Zeichnung auf dem gelben Augenzwischenschild (Stirn). Sie legt ihr Nest an ähnlichen Orten wie die „Sächsische" an, desweiteren aber auch in Erdhöhlen. Friedfertig und ohne Interesse an unseren Speisen.


Bei den „Kurzkopfwespen" (Gattung „Vespula") endet die Kopfkapsel nahezu direkt unter den Augen. Von Ihnen gibt es drei Arten in Menden, unter denen die „Rote Wespe (Vespula rufa)" in Verhalten und Aussehen deutlich aus dem Rahmen fällt. Die ersten beiden Hinterleibsringe weisen im Rückenbereich ein deutliche, rötlichbraune Färbung auf.
Die Rote Wespe legt ihre maximal nur 20 cm messenden Nester fast ausschließlich in unterirdischen Hohlräumen an. Die Volksstärke kann etwa 700 Tiere, davon 350 Arbeiterinnen, erreichen. Sie verhält sich sehr friedfertig und frisst nicht an Lebensmitteln. Die Rote Wespe tritt in Menden zerstreut auf.


Im Gegensatz zu den vorgenannten kann die „Gemeine Wespe (Vespula vulgaris)" zur Nervensäge werden. Sie besitzt eine ankerförmige schwarze Zeichnung auf dem gelben Augenzwischenschild und einen rein schwarzgelb geringelten Hinterleib. Sie legt ihre Nester in aller Art von Hohlräumen unter- und oberhalb der Erdoberfläche, oft in Gebäuden an. Die z.T. immensen Nester können über 12.000 Individuen, davon 10.000 Arbeiterinnen, beherbergen.
Leider hat ausgerechnet diese, unsere häufigste Wespenart zur Deckung ihres Kohlenhydratbedarfs die gleichen Vorlieben wie wir entwickelt: Kuchen, Marmelade, Obst etc. Und so wird sie auf dem Hochstand ihrer alljährlichen Volksentwicklung oft zur quirligen Plage - z.B. in Bäckereien, wenn die Verkäuferin grade nicht daran denkt, dass das Kitzeln an ihrem Hals von einer krabbelnden Wespe herrührt. Aus Sicht der Wespe ist die kratzende Hand lebensbedrohlich und sie wehrt sich, so gut sie kann. Auch, was in unserem Essen tierische Eiweiße enthält, weckt ihr Interesse. Oft lustig zu beobachten, wenn die Wespe mit dem von ihr herausgesäbelten Stück Salami ihr zulässiges Gesamtgewicht überschreitet und nach übermütigem Absprung von der Tischkante erstmal abschmiert... Werden diese Tischgenossen aber ihrer zu viele, so hört die Situation für manche von uns auf, lustig zu sein, da zu unübersichtlich. Dazu trägt auch der für diese Art typische „Schaukelflugstil" bei.
Die Gemeine Wespe ist in Nestnähe leichter erregbar und angriffslustiger als alle anderen Wespenarten. Die Bereitschaft anzugreifen, hängt von verschiedenen, nicht nur bekannten Faktoren ab: Behutsamkeit des Gegenübers und Gewöhnung an nahende Menschen spielen eine wichtige Rolle. Aber in letzter Zeit mehren sich Berichte, dass einzelne Tiere auch fern vom Nest Menschen geradewegs anfliegen und zustechen. Erklärungen dafür kenne und habe ich nicht.
Die einzige Abwehrmaßnahme besteht in einer Umsiedlung des Volkes - je frühzeitiger, desto besser, am besten zur Zeit der Nestgründung durch die Königin: Königin mit Netz fangen, Art bestimmen, ists eine „Gemeine Wespe" wird sie nach weitweg evakuiert (> 3 km). Ansonsten gibt es nur den Trost: nach den ersten kalten Nächten im September ist der Spuk vorbei. Immerhin haben die Wespen bis dahin auch unter den für uns „Lästigen" (Blattläuse, Stechfliegen etc.) ordentlich aufgeräumt. Dasselbe Nest beziehen sie jedenfalls nie wieder.
Zur adäquaten Abschätzung evtl. erwartbarer Unannehmlichkeiten ist eine Beschäftigung mit der Wespenbestimmung unabdingbar - soweit die uns durchaus nützlichen Eigenschaften der Wespen akzeptiert werden. Benötigt werden:

  • ein sogenanntes Schmetterlingsnetz oder Kescher (leicht selbst zu bauen aus stabilem Draht + Gardinenstoff, sonst preiwert im Internet),
  • ein nicht bildverzerrendes Glasbehältnis (Lupenglas oder Petrischale),
  • eine Lupe (m.E. ideal eine oder besser zwei 3,5-Dioptrien-Lesebrillen aus dem Billigladen, sie können bei Bedarf hintereinander auf der Nase plaziert werden, liefern zusammen ein räumliches Bild in 7-facher Vergrößerung und lassen beide Hände frei) und
  • eine Bestimmungshilfe, z.B.: diese oder jene.

Die „Deutsche Wespe (Vespula germanica)" ähnelt der Gemeinen Wespe in Nistplatzwahl und Volksstärke sowie in den Ernährungsgewohnheiten. Sie ist aber weniger angriffslustig. Äußerlich unterscheidet sie sich von der „Gemeinen" durch die Zeichnung auf dem Zwischenaugenschild, statt eines Ankers trägt es drei oder zumindest einen schwarzen Punkt, sowie durch die Rückenzeichnung auf dem Hinterleib -> eine schwarze Raute mittig auf dem ersten gelben Hinterleibsstreifen. Auch diese Wespe ist in Menden recht häufig.

Sie legt ihr Nest in dunklen Hohlräumen an, z.B. wie hier in einem aufgeweiteten Mäusegang. Nesträuber versuchen an die nahrhafte Brut heranzukommen (Wespenbussard, Ratte, Dachs). Einige Arbeiterinnen wachen am Nesteingang, den Rest des Volks zur Verteidigung zu alarmieren.


Abschließend bleibt noch zu erwähnen, dass Waldwespe, Sächsische Wespe und Rote Wespe selten von je einer auf sie spezialisierten sozialparasitischen Art heimgesucht werden. Deren Königin vertreibt oder tötet die Königin der sozialen Art, belegt fortan die Zellen mit ihren Eiern und veranlasst die verbliebenen und noch schlüpfenden Arbeiterinnen, die eigene Brut - bestehend nur aus Jungköniginnen und Männchen - zu versorgen. Mangels Zeugung eigener Arbeiterinnen wird ein parasitierter Staat weder groß, noch alt.

Bislang habe ich von den sozialparasitischen Faltenwespen in Menden nur die "Falsche Kuckuckswespe (Dolichovespula adulterina)" entdeckt. Sie nistet sich bei der Sächsischen Wespe ein. Gegenüber Menschen verhält sie sich völlig friedfertig, ihr Stich soll wenig schmerzhaft sein.

Im Mendener Rathaus, im Bereich der Umwelt und Bauverwaltung gibt es eine kleine Ausstellung der o.g. Wespenarten und einiger ihrer Nester.




(Text und Fotos: Stefan Kostyra-Ketzscher)